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Fischland-Veranstaltungsrausch 1 - die Lesungen

 

Vier Wochen auf dem Fischland - das allein ist schon großartig! Dass ich in der Zeit auch noch acht Veranstaltungen hatte, war ganz wunderbar, und ich bin immer noch berauscht davon.

 

Es gab vier Lesungen, drei Krimi-Spaziergänge und eine "Sonderveranstaltung", die zustandekam, weil einer der Spaziergänge buchstäblich ins Wasser fiel. Selten hat mir etwas, das völlig ungeplant und durch widrige Umstände entstand, so viel Spaß gemacht!

 

Aber der Reihe nach. Und das bedeutet zunächst mal: Planungen und Vorbereitungen sowohl für die Lesungen als auch für die Krimi-Spaziergänge. In diesem ersten Teil erzähle ich von den Lesungen.

Am Anfang stehen die Termine. Sobald ich weiß, wann ich auf dem Fischland sein kann, frage ich bei Buchhandlungen und anderen Veranstaltern nach, ob Interesse an einer Lesung besteht - und wenn ich viel Glück habe, muss ich gar nicht selbst fragen, sondern werde gefragt. Traditionell mache ich meine Premierenlesung in der "Bücherstube Fischland" in Wustrow, wo ich immer wieder sehr, sehr herzlich aufgenommen werde. Dieses Jahr war die Veranstaltung bereits zwei Wochen vorher schon so gut gebucht, dass wir kurzerhand eine zweite Lesung als "Vorpremiere" starteten.

Schließlich konnte ich auch wieder das Max Hünten Haus in Zingst für eine Lesung begeistern - und erstmals Malchens Café in Ahrenshoop, Letzteres sogar mit einer Doppellesung, dazu später mehr.

Nach der Terminfindung geht es endlich an die konkrete Lese-Vorbereitung aus "Fischland-Angst". Welche Textstellen eignen sich, welche sind spannend, welche mag ich selbst am liebsten, welche lassen sich am besten zu einer durchgehenden Handlung zusammenfassen? Die Zuhörer sollen ja einen Eindruck von der Geschichte bekommen, aber nicht jedes Detail oder gar jeder Erzählstrang kann Erwähnung finden. Meine Lesungen sind im Schnitt um die 70 Minuten lang. Das ist viel - ich will die Zuhörer ja auch die ganze Zeit bei der Stange halten. Und am Ende darf gern ein Cliffhanger stehen, denn zwar möchte ich in erster Linie gut unterhalten, in zweiter Linie freut es mich aber natürlich auch, wenn die Zuhörer wissen wollen, wie es weitergeht.

 

Nachdem die zusammenhängende Teilgeschichte, die ich lesen möchte, feststeht und entsprechende Textänderungen und -streichungen vorgenommen wurden, ist die nächste Frage die der Präsentation. Bei "Bodden-Tod" hatte ich mir letztes Jahr zum ersten Mal etwas Besonderes einfallen lassen: Ich schlüpfte in die Rolle von Greta und habe den Romananfang nicht nur gelesen, sondern sozusagen nachgespielt - mit den Telefonanrufen, die sie bekommt und die ich nun bekam, mit dem Schreiben ihrer Heftromantexte, die ich im Beisein des Publikums ebenfalls ins Laptop tippte. Was kann ich mir also diesmal einfallen lassen, zumal "Fischland-Angst" kein Greta-, sondern ein Kassandra-Roman ist, also nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird?

 

Ich bleibe bei meiner Rolle als Greta und will in der Rückschau erzählen, wie "ich" entführt wurde und was danach geschah - inklusive einiger Sound-Effekte, nämlich einem Droh- und einem Erpresseranruf, den Gretas Mann Matthias erhält. Ich spreche die Texte auf, verfälsche meine Stimme mit diversen Apps, und schneide die Töne zusammen. So was habe ich vorher noch nie gemacht, aber Riesenspaß dabei.

 

Zwei meiner Lesungen also stehen - aber bei der dritten gibt es eine Besonderheit: Ich lese gemeinsam mit Jan Lucas, der das erste Kapiel aus seinem Guernsey-Krimi "Cyrus Doyle und die Kunst des Todes" vortragen wird. Da wir als Paar auftreten, macht es wenig Sinn, die Rolle als Greta beizubehalten - und außerdem muss mein Teil der Lesung natürlich kürzer ausfallen. Ich kann nicht einfach etwas streichen, weil dann die Geschichte nicht mehr rund wäre. Daher suche ich nach dem ersten Teil einen passenden, kürzeren Text und werde nur einen der Anrufe vorspielen. Als Überleitung zwischen meiner und Jans Lesung schließlich will ich den Kapitelanfang aus "Fischland-Verrat" lesen, in dem Detective Chief-Inspector Cyrus Doyle einen kleinen Auftritt hat.

Nun beginnt das Üben. Lesen, lesen, lesen. Und wissen, dass ich mich, egal, wie lange und wie oft ich übe, früher oder später verhaspeln werde. Trotzdem: lesen, lesen, lesen. Dabei darf bitte 1. mich niemand stören, 2. mir niemand zuhören. Solange ich übe, will ich kein Publikum, selbst kein noch so wohlwollendes.

Und dann - ganz plötzlich - ist die Premiere da. Ich bin aufgeregt. Obwohl ich nicht zum ersten Mal lese, sondern das schon viele Jahre tue. Ich hab Lampenfieber. Ich tröste mich damit, dass selbst Paul Freese, Bestseller-Autor, Lampenfieber hat. Ich schaue ins Publikum. Die meisten gucken freundlich zurück. Manche neugierig. Manche neutral. Zu neutral? Hab ich schon was falsch gemacht, bevor ich angefangen habe? Quatsch. Da grinst mir jemand zu. Jemand ganz Fremdes. Und da hinten sehe ich ein bekanntes Gesicht. Alles gut. Lampenfieber. Auf die Uhr sehen. Luft holen. Es wird ruhig im Raum. Ich fange an. Und nach den ersten paar Worten ist wirklich "alles gut". Egal, ob ich mich verhaspele. Alles gut. Es macht verdammt viel Spaß!

Lesung vorbei. Ein kleines Gefühl von "Hab's geschafft, ist gut gelaufen!" Und dann: Mein liebster Teil dieser Veranstaltungen - nicht "nur" lesen, sondern mit den Zuhörern reden, erzählen, im besten Fall kommt eine Diskussion in Gang. Kommunikation - in echt, nicht nur in sozialen Netzwerken oder in Leserunden im Netz. Natürlich melden sich nicht alle zu Worte. Ich kenne das, ich mache auch nie den Mund auf, wenn ich auf Autorenlesungen bin. Obwohl ich weiß, dass der Autor da vorn doch gern was gefragt werden möchte und auch gern antwortet. Aber ich weiß auch: Nachher, "nicht-öffentlich", vielleicht beim Signieren, fällt es leichter, etwas zu sagen oder zu fragen. Und so entspinnen sich auch gerade dann noch schöne Gespräche.

 

Und dann ist es genauso plötzlich, wie es begonnen hat, schon wieder vorbei. Ich packe das Buch ein, den Stift, den Lautsprecher, noch ein Schluck Wasser, ein letzter netter Plausch mit den Veranstaltern - und wo sind die letzten beiden Stunden hin?

 

Wie gut, dass es noch weitere Lesungen gibt - und natürlich die Krimi-Spaziergänge, zu denen ich in der Fortsetzung komme!