Schon häufiger hatte ich in der Vergangenheit gehört, dass Leser anhand meiner Romane Wustrow erwandern, und ebenso häufig war ich auf Lesungen gefragt worden, wo denn bestimmte Häuser oder Schauplätze wären. Ein erster Anlauf zu so einer Art Krimi-Spaziergang waren zwei Schauplatz-Kalender, die ich mit meinen Fotos und passenden Zitaten entwarf. Nur für private Zwecke, aber ich wollte gern mehr Leute erreichen - also nahm die Idee, etwas "Reelles" mit meinen Fischländer Schauplätzen zu machen, langsam Gestalt an: ein echter Rundgang durch die Straßen zu den wichtigsten und schönsten Schauplätzen, die Kassandra & Paul und Greta & Matthias zu bieten hatten.
Im Frühjahr 2017 kontaktierte ich schließlich den Wustrower Kurdirektor Dirk Pasche und Christoph Sporns von der Bücherstube Fischland und fragte, was sie von meiner Krimi-Spaziergang-Idee hielten. Beide waren begeistert und sagten jegliche Unterstützung zu - Werbung, Plakate, ich durfte überall Flyer auslegen, die Bücherstube war einverstanden, den Ladenschluss an den jeweiligen Terminen ein Stück nach hinten zu verschieben. Im September 2017 fanden die Spaziergänge erstmalig statt - und stießen auf eine Resonanz, die mich umgehauen hat. Weder Wetter noch Entfernung zwischen Wustrow und Heimatort hielten die Teilnehmer ab zu kommen. Das ermutigte mich anzufragen, ob ich dieses Jahr in die Wiederholung gehen dürfe. Und wie gehabt waren die Absprachen unbürokratisch und komplikationslos. Schnell standen die Termine fest und einen Tag später war sogar schon das Plakat von Arnt Löber fertig - großartig gelungen und garantiert nirgends zu übersehen!
Das Organisatorische war also wieder schnell erledigt, sodass ich gleich voll in die Planungen gehen konnte.
Letztes Jahr hatte ich den gleichen Spaziergang im Abstand von zwei Wochen zweimal absolviert. Diesmal sollen es drei aufeinanderfolgende Freitage mit zwei unterschiedlichen Rundgängen werden. Für die Variante Richtung Barnstorf bleibe ich weitgehend bei vielen Stationen des Vorjahres, variiere jedoch die Texte - es gibt ja schließlich einen neuen Roman. Ich lasse aber auch Stationen weg (z. B die Seefahrtschule, bei der es nunmehr nur eine Großbaustelle zu sehen gibt) und ersetze sie durch andere, wie die Kirche.
Den zweiten Spaziergang Richtung Mühle und Friedhof konzipiere ich komplett neu. Dafür nehme ich mir den Ortsplan vor, markiere die möglichen Schauplätze und überlege mir passende Textstellen dazu. Die Länge der Texte variiert zwischen einer halben und einer ganzen A4-Seite. Oft streiche ich die Originaltexte ein wenig zusammen, damit ähnlich wie bei den Lesungen ein kleiner zusammenhängender Ausschnitt erzählt wird. Schließlich rechne ich aus, wie lange in etwa der Rundgang dauert - reine Gehzeit zwischen den Stationen, kleine Einführung, an welchem Schauplatz aus welchem Krimi wir uns jeweils befinden, eine Erklärung der jeweiligen Roman-Situation, Lesen der Textstellen. Mein Richtwert von der ersten Station an der Seebrücke bis zur letzten an der Bücherstube sind zwei Stunden. Ganz genau kann ich die Zeit aber natürlich nie einschätzen. Es kommt immer darauf an, wie viel ich mit den Teilnehmern ins Schwatzen gerate und wie viele Fragen an den einzelnen Stationen gestellt werden.
Nun beginnt genau wie bei den Lesungen das Üben. Ein großer Unterschied ist, dass es hier nur jeweils kurze Textabschnitte sind, was zwar auch Konzentration erfordert, aber weniger anstrengend ist als 70 Minuten am Stück zu lesen. Trotzdem müssen auch diese Texte natürlich sitzen. Und trotzdem weiß ich, dass ich mich auch hier verhaspeln werde. ;-)
Schon einen Tag nach der Premierenlesung schließlich: erster Krimi-Spaziergang, erstes Herzklopfen, ob auch tatsächlich Leute an der Swantewit-Figur auf der Seebrücke stehen. Glücklicherweise sind es viele! Bevor es richtig losgeht, stelle ich immer die Frage, ob Teilnehmer da sind, die noch nie einen meiner Krimis gelesen haben. Das ist zwar selten, aber es kommt vor, dass einfach mal jemand aus Neugier mitgeht oder den Spaziergang empfohlen bekommen hat. In dem Fall erkläre ich kurz, wie die Krimis entstanden sind bzw. wie Kassandra und Greta dazu kamen, ständig in Verbrechen verwickelt zu werden. Und dann lese ich gleich beim Swantewit die erste Szene, passenderweise aus dem ersten Band "Fischland-Mord" - ein konsipiratives, mitternächtliches Treffen zwischen Kassandra, Paul und Jonas.
Die erste und die letzte Station ist bei beiden Runden jeweils die gleiche. Alles andere variiert. Nicht nur für die Teilnehmer, auch für mich. Denn ich weiß nie vorher, was alles so passiert. Ob jemand nach Pauls Haus fragt oder mich ein ehemaliger Seefahrtschüler anspricht. Ob ich mit Menschen ins Gespräch komme, die jedes Buch von mir gelesen haben oder bisher noch gar keins. Ob aus einem Krimi-Spaziergang plötzlich auch eine Wustrow-Führung wird, weil sich ein Ortskundiger angeschlossen hat. Ob ich ungehindert an jeder Station lesen kann oder ob gerade die Hausbewohner im Vorgarten stehen, ob Heckenscheren oder Mücken unseren Weg kreuzen. Ob es viel zu lachen gibt oder die Themen eher ernsterer Natur sind.
Oder ob es gar zu ungeplanten Special Effects kommt. Wie zum Beispiel:
Ich lese im Park aus "Fischland-Verrat" etwas von knackenden Zweigen - und jemand tritt genau zur Sekunde auf einen.
Wir stehen in der Lindenstraße, ich lese aus "Fischland-Rache" von Heinz' Verhaftung - und da kommt doch tatsächlich ein Polizeiwagen direkt an uns vorbeigefahren.
Paul verlässt die Bücherstube unter dem Läuten der Türglocke - gerade als die Kirchenglocke zu läuten beginnt.
Das sind so Momente, da könnte ich den "Zufall" küssen!
So richtig küssen will ich dagegen den Wettergott nicht, als mein dritter Spaziergang buchstäblich ins Wasser fällt. Es stürmt und regnet, und ich rechne nicht damit, dass beim Swantewit mehr als zwei Personen stehen. Es kommen aber 15 - und das Restaurant Moby Dick an der Seebrücke nimmt uns alle dankenswerterweise auf. Und dann küsse ich den Wettergott doch noch, denn die folgenden fast zwei Stunden sind einfach ganz wunderbar. Bei dem einen oder anderen heißen oder kalten Getränk wird viel geredet, werden viele Fragen gestellt, darf ich viel erzählen, noch ein klein wenig lesen. Und den Spaziergangsnachholtermin bekanntgeben.
Und dann, als auch der Nachholtermin vorbei ist, bin ich ein bisschen traurig, denn das war die letzte Veranstaltung in diesem Jahr. Ich hab so viel Schönes erlebt, bin vielen netten Menschen (wieder) begegnet und noch ganz erfüllt davon.
Zeit, mal "Danke" zu sagen -
meinem Mann Jörg nämlich, der alle Veranstaltungen so umsichtig begleitet, und
dem Fischland, ohne das ich all diese wunderbaren Erlebnisse gar nicht hätte!